Etwa
eine Woche nach dem Konvent
(Wer möchte kann gerne
mitmachen)
Mit einem rasselnden Husten kündigte sich der
neue Kastellan der Altmark schon aus einiger Entfernung an als er mit
einem Stapel Schriften und Karten unter dem Arm die große Halle
betrat. Zwar wirkte er nicht als sei er gerade erst aufgestanden,
doch war Briceus in einfache, rote Gewänder gekleidet und machte
nicht den Anschein als hätte er die letzten Tage ausreichend Schlaf
gefunden.
Mit einem Schwung ließ er den Stapel an
Dokumenten auf die Tafel und sich selbst in einen gepolsterten Stuhl
neben dem leeren Thron des Markgrafen fallen. Er verlangte nach
leichten Speisen und Wasser. Den Wein brachten die Bediensteten
automatisch. Schon nach wenigen Augenblicken entstand nun ein Meer
aus Papieren, Karten, Schreibutensilien, kleinen Notizbüchern,
Tellern, Kelchen, Kerzenständern und sonstigem. Auch wenn er die
letzten Tage notgedrungen ruhen musste, die neuen Aufgaben taten es
nicht.
Als erste Punkte auf der Agenda fand Briceus die
Nachfolgeregelung des Dornenholzes, die Vorbereitungen für den
Reichstag in Waldwasser, die Ausfuhr an Waren des Edlen Corbayn,
sowie die große Bestandsaufnahme der Mark. Ferner hatten ihn
Dokumente von Meister Urdan erreicht, die er ebenfalls noch
durchsehen musste. Hustend deutete er einer Bediensteten, dass sein
Weinkelch bereits leer war.
Wie gerne würde er jetzt sein
Pferd satteln lassen und einfach entlang der Grenzen der Mark reiten
... Der plötzliche Gedanke, dass Medina gerade in diesem Moment
dabei war das gleiche in der Feuermark zu tun ließ ihn kurz
auflachen, sodass er einige verwunderte Blicke kassierte. Schließlich
tunkte er die Feder und brachte ein paar erste Worte zu Papier.
Als
hätten seine Gedanken sie beschworen öffnete sich die Tür der
Halle und die Razash'Dai trat ein.
"Schwer am arbeiten
Briceus? Was sind das alles für Zettel?"
In
this pile of papers there is also a letter from the Lady
Elane.
Telling the Kastellan she has left for Thornwood
immediately after the convent to start taking preparations for her
departure to Ignisort. And that she will also inform Lyria about
these new plans and give her the choice to stay or accompany Elane.
Als
die Feuertänzerin eintrat erhob sich Briceus und breitete - noch mit
der Schreibfeder in der linken und seinem Humpen in der rechten Hand
- die Arme zu einer Willkommensgeste aus.
"Aah,
willkommen in Drachenbrück, Medina! Ich wurde gar nicht über deine
Ankunft unterrichtet."
Sein
mahnender Blick fiel dabei auf einige der leeren Stühle, als ob er
ein paar imaginäre Kundschafter tadeln wollte. Eigentlich suchte er
nach einem freien Platz für einen Stapel Unterlagen, nachdem er sich
so ausgebreitet hatte, unterließ dann aber die Bemühungen.
"Arbeit
ist es in der Tat, doch ist es nicht so als ob die alten Marken
Zweiwassers nicht in fähigen Händen gewesen wären. Nach Problemen
muss wohl erst gesucht werden."
Er
deutete mit seiner inzwischen freien linken Hand auf einen der
größeren, bequemen Stühle an der Tafel.
"Was
führt dich hierher? Was gibt es Neues?"
"Immerhin
hast du was zu tun. Die Feuermark scheint bisher nicht weiter
beachtet worden zu sein, es gibt nicht mal eine Karte auf der die
Siedlungen stehen...Urdan hat Kundschafter losgeschickt, und Leute
die die Resourcen schätzen sollen, aber bis die wieder da sind hab
ich nichts womit ich arbeiten kann. Nicht mal die Grenze kann ich
kontrolieren, ich hab nämlich keine Truppen und alleine zu gehen
wäre doch sehr dumm."
Medina kam näher während sie
sprach, und blickte runter auf die Berge an Berichten.
"Und
deswegen bin ich hier. Ich hab mir gedacht hier krieg ich bestimmt
einen guten Wein, und vielleicht klaue ich Balor ein paar seiner
Leute, damit ich wenigstens eine Grenztruppe bis ich neue Krieger
ausbilden kann."
"Gewiss,
gewiss ... bringt uns den Rosenwein und ein paar passende
Köstlichkeiten dazu."
Briceus
wischte ein paar Dokumente und Briefe zu einem notdürftigen Stapel,
um etwas Platz zu schaffen und nahm dann wieder Platz. Als der Wein
kam hob er seinen leeren Kelch zur Befüllung.
"Die
Flussgarde steht derzeit in Zweiwasser. Wir konnten die Verlu ...
Nun, es wird noch etwas dauern bis sie wieder bei alter Stärke ist
und wir werden wohl die Hälfte als Eskorte nach Waldwasser
einsetzen, doch denke ich, dass ich dir auf andere Weise helfen
kann."
Erwartungsvoll
erhob er den Kelch. "Auf
die Feuermark und was sie einmal werden kann."
Auch
Medina ließ sich einen Kelch füllen, und stieß mit Briceus
an.
"Und auf die Altmark und ihren neuen Herrscher."
Sie trank und sah Briceus an. "Entschuldigung, ich war eben
gedankenlos. Ich vergesse manchmal das nicht jeder den Kampf so liebt
und für die Rebellion so brennt wie ich. Für viele hier im Reich
muss Balors Unterstützung der Rebellion und die resultierenden
Verluste unvertretbar hoch erscheinen, vor allem weil so viele nicht
mal wissen wofür wir eigentlich kämpfen. Wenn sie überhaupt von
der Rebellion wissen..." Für einen Moment schaute die
Feuertänzerin grimmig in die Ferne.
"Ich werde
trotzdem Truppen brauchen um die Grenze zu sichern. Eine handvoll
Siedler werde ich wohl ausbilden können, aber dafür brauche ich
mindestens einen Veteranen und vor allem Zeit. Ich selbst könnte es
zwar, aber ich weiß nicht ob das klug ist. Oder ob ich die Zeit
haben werde... Aber wie meinst du dass du mir helfen kannst?"
"Ich
kann dir mit einem nicht enden wollenden Nachschub an Weinen
helfen."
Briceus
trank zwecks einer Spannung hebenden Pause einen großen Schluck und
musterte dabei Medina, ob sie wohl sofort erkenne, dass da noch mehr
war.
"Außerdem
stellt die Feuermark kein autarkes Lehen dar, sondern ist mit der
Altmark und der Mark der Jarnsfolket ein gleichberechtigter Teil
Zweiwassers. Welch Torheit wäre es ihr nicht auch ein angemessenes
Kontingent an Truppen zur Verfügung zu stellen?"
Er
entrollte eine veraltete Karte Zweiwassers, die in ein dickes Stück
Rindsleder gehüllt war und fuhr mit dem Finger entlang der
Lehensgrenzen, alt wie neu.
"Hm
... angesichts der von seiner Exzellenz des Archons aufgetragenen
Verantwortung künftig über etwa doppelt so viel Land zu wachen,
sollten wir ebenso unsere Truppen aufstocken. Es wäre
unverantwortlich die Grenzen, besonders die im Norden, nur lückenhaft
zu besetzen.
Was denkst du, was du für den Anfang konkret
brauchst?"
Briceus
lehnte sich zurück und nahm einen Schluck. Er wirkte als hätte er
sich zu der Frage bereits selbst Gedanken gemacht.
Media
fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
"Ich weiß
nicht was ich brauche um das Land zu halten. Das hängt davon ab wie
groß das Gebiet ist, wie lang die Grenze die ich halten muss ist und
wie das Land dort beschaffen ist. Im Laufe der Zeit will ich
Wachtürme und Befestigungen bauen, aber das wird dauern."
Media
sah sich um und fokussierte auf die beiden Bediensteten die auf
Befehle warteten.
"Lasst uns allein." Ihr Ton duldete
keinen Wiederspruch, die Herrschaft hatte bereits in der
Feuertänzerin zu brennen begonnen. Erst als die Diener die Halle
verlassen hatten und die Kastellane allein waren sprach Medina
weiter.
"Und es hängt davon ab ob die Soldaten
meinen Befehlen gehorchen werden. Und ob die Bevölkerung der
Feuermark sich mir unterwirft oder ob sie sich gegen meine Herrschaft
wehren werden." Sie trank einen Schluck, spielte einen Moment
lang mit dem Becher.
"Ich bin kein Siedler. Ich habe
nicht in euren Reihen gedient, habe mich nicht auf die selbe Art
bewiesen wie du. Ich komme von außen hinzu, aus einem anderen
Gebiet, aus einem anderen Volk. Noch dazu aus einem das gegen das
Reich der Rosen Krieg geführt hat.
Bei den Naldar wählen die
Kristallfürsten den Kristalthron, die höchste der
Hohepriesterinnen. Die Anführerin wird bestimmt durch den Willen
Aeris'. Bei den Razash'Dai wählte Merth'Yar seine Aschetänzerinnen,
oder eine Tochter tötete eine und nahm ihren Platz ein. Das Recht
der Stärkeren bestimmt bei uns wer herrscht. Ich kann nicht so
vorgehen wie ich es in meinem Volk tun würde. Ihr Siedler denkt
nicht wie wir, ihr handelt nicht wie wir. Bin ich zu weich verliere
ich den Respekt meines Volkes und werde das Land nicht halten können.
Bin ich zu hart werde ich die Siedler der Feuermark brechen."Wieder
ein Schluck aus dem Becher.
"Ich weiß nicht was ich
brauchen werde, weil ich nicht weiß was mich erwartet."
Als
Medina die Bediensteten wegschickte änderte sich auch Briceus'
ausgelassene Stimmung zu einem ernsteren Ton. Mit Geduld, Wein und
gelegentlichen Sorgenfalten auf seiner Stirn lauschte er ihren
Ausführungen. Während er in Khal'hatra als Fremder in ihrem Land
stritt, fühlte er sich anfangs fast so etwas wie ohnmächtig, denn
nur allzu sonderbar erschien ihm diese exotische Welt. Nun war es
Medina, die fernab ihrer Heimat auf einem anderen, ihr fremden
Schlachtfeld stand, dem politischen Parkett der Siedler.
"Selbst
wir wissen noch längst nicht immer was uns erwartet. Das ist auch
einer der Gründe warum Siedler nicht selten äußerst dumme
Entscheidungen treffen."
Sein Gesichtsausdruck machte
nicht den Anschein als hätte er damit auf etwas bestimmtes anspielen
wollen. Seine nächsten Worte wählte er mit Bedacht während er in
Ermangelung anderer seiner Amtskollegin und sich nachschank.
"Viele
werden dir mit Misstrauen begegnen, deine Interessen und deine
Loyalität anzweifeln. Du wirst es gewiss schwerer haben als Agnar
oder ich. Doch wenn die Bewohner dieses Lehens und die neuen der
Feuermark einer Person vertrauen können, dann dem Markgraf. Er hat
dich zur Kastellanin ernannt. Seinem Urteil werden sie zunehmend
vertrauen. Du brauchst keinen neuen Staat zu kreieren. Handle einfach
nach den Gesetzen und Gepflogenheiten Zweiwassers. Die Herrin Ignis
wird dir den Weg zeigen."
Briceus war selbst
überrascht ob seines letzten Satzes. Sein Glauben wurde in den
letzten Wochen gestärkt. Gerade als die Zweifel am lautesten wurden.
Er richtete sich etwas in seinem Sessel auf und sprach wieder in
normalem Tonfall, nachdem er zuvor unbewusst etwas leiser geworden
war.
"Ich gebe dir zwei Schwingen der Flussgarde,
etwa zwei Dutzend von denen einige mit mir in Khal'hatra waren. Sie
sind diszipliniert und respektieren dich. Ihr Kommandant wird ein dir
ebenfalls bekanntes Gesicht sein. Dazu werde ich in Absprache mit
unserem Waffenmeister ein paar verdiente Milizionäre in die
Flussgarde berufen, sodass wir zügig zu alter Stärke zurück
finden. Außerdem können wir einen nicht unerheblichen Teil der
Grenzjäger entbehren. Sie sollen für dich die Grenzen sichern und
die Mark erkunden.
Unmittelbar nach dem Reichstag in Waldwasser
werde ich erfragen wie weit die Arbeit auf den Feldern voran
geschritten ist und prüfen, ob wir einen kleinen Teil der Miliz für
den Feldzug schon vorher einberufen und in die Feuermark entsenden
können. Auf diese Weise bekommst du fähige Arbeiter und kannst sie
gleichzeitig für ihre Aufgabe auf dem Feldzug trainieren lassen. Ich
denke, dass Zweiwassers Schatulle für einen zusätzlichen Mondzyklus
herhalten kann."
Während er sprach, schrieb Briceus
mit ohne aufzuschauen und erst einen Augenblick nachdem er ausgeredet
und die Feder ins Tintenfässchen gesteckt hatte, suchte er wieder
Augenkontakt zu Medina.
"Kämpfer
an meiner Seite zu haben die mich schon kennen und respektieren wird
helfen." Media nickte langsam. "Aber in einer Sache muss
ich dir widersprechen: Es wird nicht reichen mich an eure Gesetze und
Gebräuche zu halten. In gewisser Weise muss ich einen neuen Staat
aufbauen, einen in dem sowohl eure und meine Kultur leben können
ohne dass ihr unsere Flamme erstickt und ohne dass wir euch
verbrennen." Sie hob eine Augenbraue und fixierte Briceus mit
ihrem Blick.
"Sein wir dich ehrlich Briceus; die
Rebellion verliert in Khal'Hatra. Selbst mit Balors unermüdlicher
Unterstützung und den Truppen die wir vielleicht von den anderen
Siegeln geschickt bekommen sind wir trotzdem zu wenig. Ich habe diese
Position angenommen weil ich davon ausgehe dass die Rebellion eine
Ort brauchen wird an den sie fliehen können. Ich und meine handvoll
Gefolge können in der Masse der Siedler vielleicht untergehen, als
exotische Kuriositäten durchgehen. Aber der Krieg uns zum Exodus
zwingt und dutzende Razash'Dai sich in der Feuermark niederlassen
wird das nicht mehr gehen. Und mein Volk wird sich euch nicht
anpassen. Annähern vielleicht. Aber das muss ich jetzt vorbereiten."
"Hmm
... " Briceus
verlagerte sein Gewicht auf die andere Armlehne und blickte
nachdenklich in eine der Kerzen. Nach einem weiteren Schluck hielt er
Medinas Blick. "So
sehr ich mich bemühe die Rebellion als Hoffnungsträger erscheinen
zu lassen und mein Blut einzig für den Gedanken eines Sieges für
sie vergoss und vergießen werde, so sprichst du aus was mein Herz
bereits lange wusste. Es bedarf keines Militärstrategen das zu
erkennen. Dies war der Grund meine Truppen mit Bedacht einzusetzen
und keine vermeidbaren Risiken einzugehen. Unsere Kämpfe waren nie
etwas anderes als Rückzugsgefechte."
Briceus
bemerkte, dass die Bediensteten gelegentlich ihre Köpfe um Ecken
steckten und aus einiger Entfernung nach ihnen schauten. Er seufzte
tief.
"Ich
denke, dass deine Aufgabe hier vielleicht eine der bedeutungsvollsten
im ganzen Reich, wenn nicht sogar auf Mythodea, sein kann. Es mag die
Zeit kommen, in der der Krieg Tin'Halam erreicht und die prunkvollen
Paläste brennen, doch das wird nicht das Ende sein. Zögere nicht
Anfragen zu stellen wenn du etwas brauchst. Die Black Birds haben
gute Zimmersleute, keiner in dieser Gegend kennt sich besser mit der
Eisenverarbeitung und Schiffsbau aus als die Jarnsfolket und seine
Erlaucht hat einige, strategisch wichtige Bündnisse schmieden
können. Und in diesen Hallen findest du immer ein wärmendes Feuer,
guten Wein und ein offenes Ohr."
Medinas
Gegenüber wirkte zwar noch immer sichtlich erschöpft und noch nicht
ganz wiederhergestellt, doch schien er trotz allem wirklich
zuversichtlich und daran zu glauben was er sagte. Den Kelch erhoben
wartete er ab, ob sie ihm mit der Erwiderung des Toasts eher
zustimmte oder weitere Bedenken anmelden würde.